Benno Geislers wüste Bilder
Benno Geisler kenne ich seit Ewigkeiten, wohl schon mehr als drei Jahrzente.
In so einer Zeitspanne haben mehrere Künstlerleben Raum, passen stilistische wie thematische Veränderungen.
Deutlicher Gesellschaftskritiker war Benno Geiser schon in den Siebzigern. Anfang der Achziger gab es Blätter zu Texten von Konstantin Wecker. Zum Beispiel den "Amoker". 1975 gab es ein Blatt neu - auf Bütten - "Ruhe sanft". 27 Jahre später tauchen Erinnerungsverließe aus dem Wüstensand auf, werden zu geheimnisvollen Fundstücken im verwehenden Sand in offener, aber fremder Landschaft.
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Ich hasse es, wenn in Vernissagereden Name-Dropping zur Aufwertung der ausstellenden Person, praktiziert wird. Jetzt aber steige ich selbst in diese Praxis ein und nenne den zur Zeit Höchstpreise erzielenden Gerhard Richter.
Gerhard Richter ist einer, der in seinen Hervorbringungen rücksichtslos hin- und hergesprungen ist. Und immer noch ist Gerhard Richter ein guter Sportler!
Da gibt es bei Richter vorsichtig vernebelte Fotos im Frühwerk, geschundene Portraits zu Stammheim als gesellschaftlichen Protest, da gibt es plötzlich eine lustige Farbigkeit, die an die ersten Buntfilme im deutschen Aquacolorformat erinnert.
Vertragsgaleristen wie Sammler fanden sich im Chor mit Kunstkritikern an Klagemauern wieder. Brust an Brust werden die Köpfe geschüttelt. Ist dieser Richter ein Chamelion, das sich allen Strömungen hingibt? Oder ist er ein Künstler, der letztlich das macht, was er will und sich nicht vom Markt festlegen läßt?
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So und jetzt habe ich die Kurve, lande wieder bei Benno Geisler, dem heute hier ausstellenden Künstler, den ich in einigen seiner Wandlungen mal aus der Nähe, mal von ferne beobachtete. Nein, ein Chamelion ist Benno Geisler nicht, eher sperrig, aber mit immer weit ausgestreckten Fühlern.
Chamelion nicht in der Anpassung, aber im notwendigerweise gewollten und von sich selbst geforderten Wechsel.
Satire und tiefere Gedanken schließen einander nicht aus. Fotographie verdichtet, Fotomontagen sind somit verdichtete Fotographie, aber dadurch noch keine Dichtung, eher Zitat, Zitat der Wirklichkeiten zwecks Erkennung auch geschrumpften Materials.
... und da sind wir ganz nahe am Chamelion Geisler im 21. Jahrhundert. Jetzt jedoch sitzt Benno Geiser wieder im Sandkasten, durchforscht die Wüste für sein Schaffen zu entdecken. Da sind auf den ersten Blick keine Spuren des Satirikers noch des offenbrüstigen Gesellschaftskritikers zu finden. Auch die Graphismen aus dem vorigen Jahrhundert fehlen auf der Oberfläche, scheinen verschwunden wie die dunklen Räume mit und ohne Möblierung.
Hier in der Weite der Wüstenlandschaft ist etwas von großer Einsamkeit zu spüren. Rudimente von Bauten gibt es. Von vielbeschworener Spaßgesellschaft findet man nichts.
Vielleicht baut Benno Geisler demnächst Fotomontagen aus seinen Frankfurter Architekturverdichtungen in künftige Wüstenbilder, so daß Frankfurt ohne Main auch in künstlerischem Zustand auf dem Trockenen sitzt.
Licht und Schatten in der Mainmetropole! In der Wüste aber gibt's keinen Schatten. Zumindest gibt es dort keinen Schatten, wenn die Sonne von ganz oben herabbrennt, weil sie senkrecht wie ein Hubschrauber vor der Landung über der Landschaft steht. Dann wirft der aufrecht stehende Mensch keinen Schatten, dann bist
du schattenlos.
1980 gab es eine Auqatintaradierung von Benno Geisler mit dem Titel "Interieur extrem schattiert". Das war noch im vorigen Jahrhundert. Jetzt ist Benno Geiser im 21. Jahrhundert, fühlt sich künstlerisch in der Wüste Neuem ausgesetzt, bestens aufgehoben in seinem neuen Thema, geborgen und zugleich herausgefordert.
Nach Jahrzehnten wechselvollen Schaffens bieten sich einem Künstler viele Möglichkeiten. Auch völlig neue Ufer können mit all den gemachten Erfahrungen betreten werden. Es zeugt von Unabhängigkeit, von den Angeboten unserer Welt Gebrauch zu machen.
Geisler ist seit einiger Zeit von der Wüste fasziniert und schafft sich inzwischen sein eigene Wüstenland, setzt Kantiges in die sandigen Landschaften und hofft auf Betrachtersinne, die ihm augenblicklich - mit kurzen optischen Verschnaufpausen - vom Gelb ins Ocker bis zum weißfarbenen Elfenbeinsand folgen.
Da gibt es ein so zu nennendes Spazierbild mit Spuren von Wind, Strukturen und Übermalungen in gebrochenem Weiß - es verschwinden so viele Millionen wie in den Sand gesetzt.
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Ich wünsche gute Sicht auf die Bilder und das ohne chinesische Sandstürme. Nehmen sie den Dünensand vom Maines-Strand in antiker Flasche von der Kaiser-Friedrichs-Quelle nicht als Manifesta-Enviroment oder als gar verifiziertes Kunstprodukt.
Nehmen Sie als Künstler-Kollegen, als vorsichtige Sammler und als Vernissage-Schlachtenbummler mit den Augen die angebotene Reise durch Wüsten-Landschaften wahr, schauen Sie auf afrikanischen Sand, auf Sände aus Namibia und auf Leinwänden.
Nehmen Sie die Mullcollage-Strecken nicht als Fremdkörper, sondern kraft Ihrer Fantasie und Assoziationsmöglichkeit als Relikte der Bandagierung von Mumien.
Es handelt sich nicht um fehlbenutzte Augenbinden, verständlicherweise handelt es sich auch nicht um Plünderungsfunde aus heimlichen Grabungen.
Frankfurt, 28.05.2002 Frank Arlig
Video der Rede: https://youtu.be/eNb7uNJNYwc
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